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PROJEKTREPORTAGE

Quartiers-Dock, München

Heller Designstudio, Stuttgart

Heller Designstudio + Partner

Vielfalt statt Parkplätze

  • Text: Marco Eisenack
  • Illustration: Heller Designstudio + Partner

Das neue Quartiers-Dock von Heller Designstudio macht das Parkhaus zum Pulsgeber des Quartiers. Programmiert mit verschiedenen Nutzungen schafft das modulare Gebäudesystem auch in Neubaugebieten und am Stadtrand Qualitäten des urbanen Lebens.

Das Konzept des Quartiers-Docks schlägt vor, Smart Parking besser in der Stadt zu integrieren und mit weiteren Funktionen stärker zu verknüpfen.

Wenn wir in unseren dichter werdenden Städten mehr Platz für umweltfreundliche Mobilität und mehr Grün für klimaresiliente Quartiere schaffen wollen, stehen Parkplätze ganz oben auf der Streichliste. Mit dem von Marcel Heller im Auftrag von WÖHR entwickelten Konzept des Quartiers-Docks verschwinden Parkplätze aus dem öffentlichen Raum und werden zum „Ankernutzer“ einer Immobilie, die darüber hinaus Platz für alle Nutzungen bietet, die in einem Quartier gebraucht und in Neubaugebieten oft vermisst werden: belebte Erdgeschossflächen, Platz für Jugendliche, Raum für Kreativität, Freiflächen auf dem Dach, Sportangebote, Abendveranstaltungen und vieles mehr.

Bei der Präsentation auf der IAA mobility im September 2021 in München wurde das Quartiers-Dock als neues nachhaltiges Mobilitätskonzept vorgestellt, das die Grundlage für bessere Wohnquartiere legen kann. „Das Narrativ des Parkraums wird hier umgedreht“, erklärt Marcel Heller. „Es geht nicht mehr darum, die Autos möglichst unsichtbar irgendwo zu isolieren. Es geht darum, das Bedürfnis nach Mobilität zum Motor eines Quartiers zu machen. So entsteht Potenzial für weitere Nutzungen.“ Heller hat auf Basis der vollautomatischen Parksysteme in Kombination mit weiteren Nutzungsbausteinen ein modulares Gebäude konzipiert, das vom Erdgeschoss bis zur Dachterrasse additiv genutzt wird.

Mobilitätsbedürfnisse verändern sich
Laut Umweltbundesamt hat der Autoverkehr zwischen 1995 und 2019 um mehr als 20 Prozent zugenommen. Die Kohlendioxid- Emissionen des Pkw-Verkehrs sind im gleichen Zeitraum um 5,1 Prozent angestiegen. Um die Pariser Klimaziele zu erreichen, müsste der CO2-Ausstoß in den kommenden zehn Jahren allein im Verkehr um mehr als ein Drittel abnehmen. Nur wenn wir unsere Mobilität neu denken, können wir das Klimaabkommen einhalten.

Heller ist überzeugt, dass unsere Mobilität diverser wird: Fahrrad, E-Bike, Lastenrad, E-Motorroller, E-Scooter und E-Auto. Je nach Anlass, Wetter und Tageszeit werden wir künftig ein anderes Verkehrsmittel wählen. „Die Menschen in den Städten wissen es schon heute zu schätzen, dass sie Fahrzeuge teilen können. Darum brauchen wir Mobilitäts-Hubs“, so Heller. Das Quartiers-Dock macht Mobilitätsangebote so attraktiv, dass die Menschen sich kein eigenes Auto mehr anschaffen müssen. Und dennoch mobiler sind als zuvor, weil die App auf dem Handy bessere Lösungen bietet als der Autoschlüssel in der Tasche.

Gerade in der Nutzerfreundlichkeit steckt nach Meinung von Beobachtenden viel Potenzial des Quartiers-Docks. Mit dem integrierten automatischen Parksystem „Parksafe“ von WÖHR werden Fahrräder und Autos platzsparend gestapelt und fahren bei Abruf schnell per Lift Richtung Gehsteig. Die Nutzenden warten im hellen, sicheren öffentlichen Raum. Keine Treppen, keine dunklen Tiefgaragen. Durch das automatische Parksystem werden rund 60 Prozent weniger Parkfläche gegenüber einer konventionellen Garage benötigt.

Flächen sparen und anders nutzen
Mit modularer Bauweise das öffentliche Leben zu integrieren, ist die Leitidee hinter dem Konzept des WÖHR Quartiers-Docks: von Gastronomie, Einzelhandel, Fitnessstudios und Kinos über Kitas und Jugendzentren bis hin zu Boulderwänden im Außenbereich und Urban Gardening auf dem Dach sind vielfältige Nutzungen denkbar. Durch die Lage am Eingang zu einem Wohngebiet könnte der Hub wie ein Hafen wirken, an dem Nutzende abfahren und andocken. Zugleich würde das Gebäude als Lärmschutz zur Straße dienen und Nutzungen versammeln, die innerhalb des Wohngebiets eher ungern gesehen werden.

Das Quartiers-Dock versteht sich als optimierte Benutzeroberfläche für zukunftsfähige Quartiere. Besonders gut kommt bei den Vertreter:innen aus Stadtpolitik, Verwaltung und der Zivilgesellschaft an, dass das Quartiers-Dock als Baukastensystem gemäß des Cradle-to-Cradle-Prinzips aus wiederverwertbarem Metall konzipiert ist. Auch wenn diese Zukunft irgendwann wieder Vergangenheit sein wird, kann man also weiter auf sie bauen.

Architekten

Das Heller Designstudio ist ein kreatives Büro aus Stuttgart und Shanghai, das weltweit Architektur für Marken entwickelt. Als konzeptionelle Berater und Architekten entwerfen und positionieren sie Architektur, Innenräume und digitale Informationen in einem Gesamtkontext und beginnen die Arbeit am liebsten am Nullpunkt. Hochwertige 3D-Visualisierungen begleiten dabei jedes Projekt von Beginn an, um eine optimale Entscheidungsgrundlage zu bieten. Die Projekte reichen von Showrooms, Ausstellungen, Messen, Hotels bis zu New-Work-Arbeitsumgebungen.

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