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PROJEKTREPORTAGE

Chapultepec Uno, Mexiko-Stadt

Taller G, Mexiko-Stadt

Foto: Edgardo Contreras

Gläserner Stift

  • Text: Moritz Osswald
  • Fotos: Edgardo Contreras, Luis Sánchez Núñez de Cáceres

Mexiko-Stadt fordert das tägliche Leben heraus: Luftverschmutzung, Lichtverschmutzung, Erdbeben, verstopfte Straßen, dazu die schiere Größe der 22-Millionen-Metropole. Wohn- und Parkflächen fehlen. Der neue Turm Chapultepec Uno beherbergt Büros, Wohnungen und Zimmer der Edel-Hotelmarke Ritz Carlton. Das Luxusbauwerk markiert die Grenze zwischen Megastadt und Ruheoase.

Aufgestiegen in das 60. Stockwerk und angekommen auf dem Heliport offenbart sich eine unglaubliche Sicht über den Bosque de Chapultepec, in etwa der Central Park von Mexiko-Stadt. Die Eröffnung von Chapultepec Uno steht kurz bevor – still und pandemiebedingt ohne große Feier. Auf den Fluren des neuen Wolkenkratzers erwarten die Besucher:innen edler türkischer Marmor und schwarze Granitwände, die eine moderne Lässigkeit betonen. Das vielleicht Überraschendste: die Ruhe. Der Lärm der vibrierenden Umgebung wird ausgesperrt. Die zweischalige Ganzglasfassade mit innen zirkulierender Luft sorgt außerdem dafür, dass keine thermische Energie verloren geht.Zudem trennen großzügige Terrassen auf jedem Stockwerk den Trubel der Großstadt von der Ruhe des Luxusobjekts. Über 4.000 Quadratmeter Terrassenfläche bietet der Turm.

Auf den Etagen 39 bis 47 bietet das Hotel Ritz-Carlton Suiten mit Terrassen und einem Panoramablick nach Südosten auf die mexikanische Hauptstadt.

Mit einer Lage an der emblematischen und geschichtsträchtigen Avenida Paseo de la Reforma wartet das Gebäude mit 241 Metern Höhe auf. Die Straße zieht sich 15 Kilometer durch dieStadt und verläuft entlang des Bosque de Chapultepec, der grünen Lunge von Mexiko-Stadt. Das Schloss Castillo de Chapultepec, das über der Grünanlage thront, war einst eine Militärakademie. Es fungierte ebenso als kaiserlicher wie als präsidialer Wohnsitz. Heute beherbergt das prunkvolle Schloss das Museo Nacional de História, das Nationale Geschichtsmuseum.Hier strömen sonntags Menschenmassen hinein, denn dann ist der Eintritt gratis.

Maximierungsgedanke

Hochwertige Materialien sind auf allen Ebenen wie hier in der Samos Bar zu finden.

Chapultepec Uno ist ein Mammutprojekt in einer Mammutstadt. Das Objekt wirkt wie ein Trennstrich zwischen Natur und Stadt, zwischen Ursprung und Zukunft. Was das Bauwerk von anderen Wolkenkratzern in der Zone unterscheidet? Die Aussicht, antwortet Architekt Salvador Nuñez. Der Blick auf Wald und Schloss ist nur eine der vielen Besonderheiten. Beeindruckender als die Aussicht ist jedoch der Maximierungsgedanke: Chapultepec bietet viel Platz auf wenig Raum. Von außen wirktdas Gebäude wie ein kompakter, schlanker Stift. Im Inneren offenbart sich jedoch eine Größe, die in einer so engen und gedrängten Metropole wie Mexiko-Stadt entspannend wirkt. Technologisch schafft der Turm eine Melange, in den baulichen Elementen steckt Globalisierung: Ingenieurskunst aus England, Aufzüge aus Finnland, die Fassade aus China und Mexiko.

Tresor

Im Untergrund befindet sich das Parksystem von WÖHR. Über eine Rampe fahren die Nutzer:innen mit dem Auto nach unten. Der Schlüsselanhänger mit eingebautem RFID-Chip wird an den Schleusenpfosten gehalten, wonach ein kleiner Bildschirm die Kabinennummer anzeigt. Die Tür der Kabine öffnet sich und das Auto kann langsam auf den Stellplatz manövriert werden. Vier sogenannte Vorhang-Laser analysieren, ob das Fahrzeug optimal platziert wurde oder noch leichte Korrekturen vorgenommen werden müssen. Das ist wichtig, damit das vollautomatisierte System funktioniert. Vor dem Verlassen der Kabine wird erinnert: Handbremse angezogen? Motor aus? Licht aus? Erst wenn alles von den Fahrer:innen bestätigt ist, initiiert das vollautomatische Parksystem den Prozess.

Chapultepec bietet viel Platz auf wenig Raum.

Der Drehteller rangiert und transportiert das Auto von der ersten in eine der insgesamt zwölf unterirdischen Ebenen, in denen es geparkt wird. In 15 Sekunden ist alles vorbei, und der eigene Pkw ist in einer Art Tresor, an den niemand anderer herankommt. Pro Ebene ist Platz für 80 Fahrzeuge. Es herrscht konstante Bewegung. WÖHR hat auf ein „chaotisches System“ gesetzt. Hinter diesem Begriff verbirgt sich der Ansatz, den Nutzer:innen keine festen, sondern immer wechselnde Stellplätze für ihre Fahrzeuge zuzuweisen. Somit wird eine stete Dynamik sowie eine optimale Auslastung des Systems erzeugt.

In den Übergabebereichen befinden sich seitliche Sensoren.

Das intelligente, vollautomatische Parksystem ist eine Eigenentwicklung aus dem Hause WÖHR, sowohl was Hardware als auch Software angeht. Mehrere Tausend Sensoren stellen das Kernstück der Anlage dar. Sie helfen, die Fahrzeuge sicher auf eine Art Rollband zu verfrachten, von dem sie in die zugewiesene Parkbox transportiert werden. Wer sein Auto aus dem unterirdischen Parkhaus wieder abholen möchte, hält den Anhänger mit integriertem Chip in der Wartelobby an ein Display. In maximal drei Minuten steht das Fahrzeug bereit – dank des integrierten Drehtellers in Richtung Ausfahrt.

Produktinformationen
WÖHR Multiparker 750
424 Stellplätze im Hochregal, palettenloses System, 12 unterirdische Parkebenen, Bedienung über RFID-Chip, Länge 5,25 m, Breite 2,20 m, Höhe 2,00 m, Plattformbelastung 2.500 kg, Parkfläche gesamt 895 m², Fläche pro Stellplatz 2,2 m²

Architekten

Taller G ist ein führendes Architekturbüro, das auf der Grundlage einer 30-jährigen Zusammenarbeit mit KMDArchitekten, den Gründungsmitgliedern des lateinamerikanischen Büros, aufgebaut ist. Diese Führung gründete 2012 ein neues Unternehmen mit Fokus auf Lateinamerika. Mit mehr als 20 Jahren Erfahrung in der Gestaltung von Arbeitsplätzen für internationale Unternehmen hat Taller G Projekte in einer Vielzahl von Regionen Lateinamerikas realisiert, darunter Mexiko, El Salvador, Costa Rica, Panama, Kolumbien, Brasilien und Argentinien.

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